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Kinder in der Corona-Krise: Was Kinder jetzt brauchen?

In der Corona-Krise wurden die Sorgen und Nöte von Kindern und Jugendlichen zu oft übersehen. Was aber müsste passieren, damit es ihnen besser geht? Einige Vorschläge

 

Description: Kinder in der Corona-Krise: Kinder brauchen Bewegung – am besten an der frischen Luft.

Kinder brauchen Bewegung – am besten an der frischen Luft. © Marcio Jose Sanchez/​AP/​dpa

Lernen

1.
Bei der FDP heißt es "Lern-Buddys", bei den Grünen "Bildungslotsen", der Pädagoge Aladin El-Mafaalani nennt es "Mentorenprogramm" – am Ende ist es die gleiche Forderung: Studierende könnten Schülern beim Lernen helfen, allein oder in Kleingruppen. Die Schüler bekämen so individuelle Förderung, die Studierenden bekämen Punkte an der Uni, Geld und Berufspraxis. Strukturen dafür gibt es schon: Das Bundesprogramm "Menschen stärken Menschen" unterstützt bisher vor allem Organisationen, die Patenschaften für Geflüchtete vermitteln. Unter dem Titel "Bildungsschutzschirm" forderte Annalena Baerbock (Grüne) im Januar, dass dieses Programm auf ein Fördervolumen von 50 Millionen Euro aufgestockt werden solle, um mehr benachteiligte Kinder an Paten zu vermitteln.

2.
Der Schulleiter des Rosa-Luxemburg-Gymnasiums in Berlin-Pankow, Ralf Treptow, hatte bereits 2020 ein Konzept vorgelegt, die Schuljahre zu verlängern. Das letzte Schuljahr hätte bis Januar gehen können, das jetzige bis zum nächsten Sommer. Man könnte jetzt immer noch damit anfangen und das laufende Schuljahr bis Januar 2022 verlängern: Die Kita-Kinder blieben dann noch ein halbes Jahr länger in der Kita, die Schulkinder hätten mehr Zeit, den Stoff aufzuholen.

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3.
In Berlin hat das Abgeordnetenhaus nun beschlossen, dass Schüler freiwillig sitzen bleiben können. "Am Ende wird dadurch ein Problem individualisiert, das eigentlich alle betrifft", sagt Ralf Treptow. Denn es trifft die, deren Eltern ihnen keine Nachhilfe geben können. Gerechter wäre es, das Jahr für alle zu verlängern.

4.
Bisher mag es normal gewesen sein, dass Achtklässler ihre Hobbys wegen des Nachmittagsunterrichts aufgeben mussten. Dass der Präsenzpflicht in der Schule alles untergeordnet werden musste. Aber wird man das den Achtklässlern von heute noch erklären können, nachdem sie sich ein Jahr lang vieles selbst beigebracht haben? Schon heute können Eltern für ihre Kinder Beurlaubungsanträge für einzelne Schulstunden stellen, wenn die Kinder ihrer Meinung nach Besseres zu tun haben, vielleicht eine Vorlesung an der Uni hören oder an einem Wettkampf teilnehmen. Bis jetzt sind die Hürden dafür hoch, sagt Alexander Münch, Anwalt und Experte für Bildungsrecht. "Ausnahmen von der Schulpflicht sind nur mühsam zu erkämpfen." Die Frage aber bleibt: Kann man den Kindern von heute morgen noch erzählen, dass Präsenz in der Schule der einzige Weg ist zu lernen?

5.
Es sollte den Kommunen möglich sein, all die Orte, die gerade niemand braucht, für Kinder und Jugendliche zugänglich zu machen. Kletterhallen, Kino- und Konzertsäle, Bibliotheken stehen schließlich leer, während sich eingesperrte Kinder langweilen. Mit Hygienekonzepten, in Kleingruppen, vielleicht nur für einzelne Familien, ließen sich all diese Orte klug nutzen.

Spaß

Werden sich die Älteren bei den Kindern dafür bedanken, dass sie sich für deren Überleben eingeschränkt haben? Werden sie Bilder malen, Lieder im Chor singen, Puppentheater für lokale Kitas aufführen?

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6.
Der Verband der Zoologischen Gärten hat sich mit einem offenen Brief an die Kanzlerin gewandt: Zoos seien sichere Ausflugsziele und Möglichkeiten zum Ausgleich für Familien. Natürlich ist da Eigennutz im Spiel, die Zoos haben Millionenverluste gemacht. Würde der Bund Gutscheine für Zoos und Museen an Kinder ausgeben, die sich das normalerweise nicht leisten können, hätte man ein unkompliziertes Förderprogramm für diese Einrichtungen. Davon profitieren nicht nur arme Menschen, auch für Durchschnittsverdiener ist ein Zoobesuch teuer. Das Bildungs- und Teilhabepaket für besonders benachteiligte Kinder gibt es bereits – warum nicht auch ein Bildungs- und Erlebnispaket für alle Kinder?

7.
Wenn die Sporthallen, die Sportplätze und die Musikschulen wieder öffnen dürfen, wird man die verlorene Zeit nicht aufholen können – aber doch zumindest kompensieren. Man könnte Hallen und Plätze so nutzen, dass möglichst viele Kinder möglichst viele Angebote wahrnehmen können, auch wenn dafür der Zumba-Kurs oder das Basketballtraining der Herren ausfällt. Gerade in Städten sind Trainigszeiten begehrt – ab sofort sollten die Kinder und ihre Vereine den ersten Zugriff darauf bekommen.

8.
In der Hamburger Jugendhilfe gibt es seit den 2000er-Jahren sogenannte "früh einsetzende entwicklungsfördernde Hilfen", was bedeutet: Kuren für Kinder. In Häusern auf Föhr oder am Timmendorfer Strand machen Kinder Urlaub, die aus schwierigen Familien kommen. Dahinter steckt eine banale pädagogische Erkenntnis: Es hilft den Kindern schon, einfach mal rauszukommen. Noch 2012 überlegte der damalige Hamburger Sozialsenator Detlef Scheele (SPD), die Kinderkuren abzuschaffen, weil die zwei Millionen Euro im Jahr zu teuer schienen. Früher gab es Programme wie diese in mehreren Bundesländern, sie wurden allerdings weitestgehend eingestellt.

 

9.
Drittklässler konnten in diesem Schuljahr nicht schwimmen lernen, was natürlich fatal ist, denn Schwimmen ist eine der Sportarten, die im Sommer umsonst und relativ infektionsrisikofrei an Badeseen möglich sein werden. "Wir schätzen, dass ungefähr eine Million Kinder, Dritt- und Viertklässler, im letzten Jahr keinen Schwimmkurs machen konnten und nun durchs Raster fallen", sagt Achim Wiese, Sprecher der DLRG. Ende März ist er zur Anhörung im Sportausschuss des Bundestags eingeladen, dort wird er vorschlagen, dass die Schwimmhallen und Freibäder für Kindergruppen geöffnet werden sollten, bevor es wieder Publikumsverkehr gibt. Mehr als 50.000 ehrenamtliche Schwimmlehrer stünden bei der DLRG bereit, um zu unterrichten – der einzige limitierende Faktor sei die Wasserfläche. "Wir sollten auf jeden Fall auch die Sommerferien nutzen, wo normalerweise kein Schwimmunterricht stattfindet, weil die Bäder voll sind", sagt Wiese.

Sicherheit

10.
Die Existenzängste von Eltern wirken sich auch auf Kinder aus. Bereits im Oktober 2020 forderten die Sozialminister der Länder eine Kindergrundsicherung: Sozialleistungen, die vor Armut schützen. Auf den notwendigen Betrag einigten sie sich nicht. Die SPD fordert in ihrem Programm für die kommende Bundestagswahl Beträge zwischen 370 und 448 Euro pro Monat, je nach Alter, die Grünen halten Regelsätze von 306 bis 444 Euro für angemessen. Die CDU lehnt eine allgemeine Kindergrundsicherung ab.

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11.
Seit über 40 Jahren gibt es die Nummer gegen Kummer, bei der Kinder anrufen können, wenn sie jemanden zum Reden brauchen. Ein Mail-Postfach hat sie auch. Aber Kinder sieht man nur selten Mails schreiben oder telefonieren. Auf WhatsApp und anderen sozialen Medien gibt es kein Hilfsangebot – wegen des Datenschutzes. Die Anonymität wäre nicht garantiert. Auch über die Gewalt, die während der Pandemie gestiegen sein könnte, weiß man wenig. Die Redaktion Correctiv hat herausgefunden, dass Jugendämter in Nordrhein-Westfalen nur noch in dringenden Fällen Hausbesuche durchführten. Viele Jugendämter hatten schon vor der Pandemie nur vormittags geöffnet – also wenn Kinder eigentlich in der Schule sind.

12.
Seit 2015 existiert das Förderprogramm Schulsanierung in Höhe von 3,5 Milliarden Euro. Im Oktober 2020 waren bereits 2,9 Milliarden davon beantragt oder verplant – aber erst 600 Millionen wurden ausgegeben. Das liege, so antwortete die Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP, an Bürokratie und Handwerkermangel. Die Anzahl der Bauunternehmen und Handwerksbetriebe ist staatlich nicht regulierbar. Aber wenn Bürokratie dazu führt, dass Schulen nicht saniert oder nicht ans Internet angeschlossen werden, ist es vielleicht Zeit, die Bürokratie zu überdenken.

13.
Bei der Kindergesundheit geht es logischerweise auch um die Elterngesundheit, sagt die Professorin für Kinder- und Jugendgesundheit Ulrike Ravens-Sieberer. "Die Eltern sind oft hilflos. Die Schule müsste Kontakt mit ihnen halten, eine Art Supervision für die ganze Familie einrichten." Das gelte auch für die Zeit nach der Pandemie. Es würde helfen, wenn die Eltern regelmäßig kontaktiert würden. Wenn jemand einfach fragte, wie es ihnen geht. Schulsozialarbeiter könnten das leisten. Ihre Aufgaben sind nur nicht immer klar – und in den meisten Bundesländern gibt es zu wenige von ihnen.

 

 

 

Quelle: Zeit.de, von Anna, 10.2021. Kinder in der Corona-Krise: Was Kinder jetzt brauchen?. Abgerufen 11. März, von https://www.zeit.de/2021/10/kinder-corona-krise-schule-homeschooling-jugendliche-sorgen-hobby

 

 
 
 

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